Hallo zusammen,
dunkle Wolken ziehen am ETF-Markt auf. Die Bundesbank und sogar der Indexfonds Pionier Jon Bogle warnen vor den Risiken von ETF.
Während ich einige Gefahren zwar für durchaus begründet halte aber denke, dass aktiver Markt und passiver ETF friedlich koexistieren werden gibt es andere Probleme über die man weniger hört, die aber nichtsdestotrotz wichtig sind.
Was definitiv geändert werden muss sind die Punkte: “Mitbestimmung von ETF und Fondsbesitzern” und “Verhalten bei ETF- und Fondsschließungen”
Einführung
Als Besitzer eine replizierenden ETF oder Fonds gehört dir ein Anteil an einem ETF. Dieser ETF kauft gemäß Indexverteilung von deinem Geld Aktien. Die Stimmrechte an diesen Aktien bleiben aber beim ETF-Herausgeber.
Kurzes Beispiel:
- im ETF Platzhirsch auf den DAX liegen aktuell 6.373 Mio. €
- SAP hat im DAX/ETF (Gewichtung nach Marktkapitalisierung) aktuell einen Anteil von 10,51%
- SAP hat je nach Tagesform eine Marktkapitalisierung von ungefähr 110 Mrd. €
- der ETF steckt somit ca. 10,5% von 6373 also 637.150.000 € in SAP
- Bei einem Aktienkurs von 90€ macht das 7.079.444 Aktien von SAP
- Gesamtanzahl Aktien von SAP sind 1.288.500.000 –> Dein ETF hält also ungefähr 0,55 % der Aktien von SAP.
Blackrock (die Firma hinter iShares) besitzt also bei der nächsten Hauptversammlung 0,55% der Stimmen.
Das klingt jetzt nicht viel. Sollen Sie doch machen.
Anderes Beispiel:
- Euer monatlicher DAX Sparplan beträgt 1000€
- Von euren 1000€ werden euch 10,622 Anteile vom ETF ins Depot gebucht
- SAP ist wieder mit 10,51% vertreten
- Pi mal Daumen hat der ETF also von eurem Geld eine Aktie SAP gekauft.
Ihr habt bei der nächsten Hauptversammlung kein Stimmrecht. Das Stimmrecht bleibt bei Blackrock. Wäre ja eh nur eine Stimme von 1.288.500.000 .
Aber kauft Blackrock denn nicht auf eigene Rechnung und hat unternehmerisches Risiko?
Für die ETF Nein. Der ETF Anbieter hat zwar laufende Kosten für Mitarbeiter, Computer etc. aber alles was die Aktien angeht kauft er in eurem Auftrag ins “ETF-Depot”. Sinkt der DAX um 50% interessiert das das Blackrock Firmenkonto nicht im Geringsten. Vielleicht schließt Blackrock aber einfach den DAX-ETF und ihr seid dann gezwungen zum letzten Kurs zu verkaufen.
Dafür, dass er sich so rührend um eure Aktien kümmert gebt ihr eurem Anbieter ja auch einen kleinen Obolus von 0,15% pro Jahr. Auf den gesamten ETF betrachtet übrigens stolze 9.559.500 € / Jahr. Und zusätzlich zahlt ihr noch den Tracking Error, der daraus resultiert, dass der ETF vielleicht zu spät oder am falschen Börsenplatz ordert.
Wo ist das Problem?
Blackrock hält nicht nur über unseren DAX-ETF sondern noch über seine ETFs auf den MSCI World, MSCI World Information Technology, Eurostoxx und andere Fonds Anteile an SAP. Summiert ergeben sich Stand 04/2018: 5,13% der Stimmrechte. Damit ist Blackrock der drittgrößte Aktionär von SAP. Bezahlt hat Blackrock diese Aktien aber nicht von eigenem Geld sondern von dem der Investoren.
Wer bestimmt bei Blackrock?
Blackrock selbst hat eine Marktkapitalisierung von 54,11 Mrd. €.
Davon gehören:
- 25% PNC Financial Services
- 6% ironischerweise dem größten ETF Konkurrenten: Vanguard
- 5% Blackrock selbst
- 5% Capital World Investors
- 4% Wellington Management Group
d.h. 45% der Aktien von Blackrock gehören ebenfalls Finanzunternehmen und Unternehmen die mit Vermögensverwaltung Geld verdienen. Ruft da jemand Interessenskonflikt? Risiko ?
Blackrock verwaltet 5550 Mrd. € an Anlegergeldern. Das sind 5.550.000.000.000 €. Ungefähr das BIP von Großbritannien und Frankreich zusammen. Jetzt kommt ihr euch mit dem 1000€ Sparplan schon etwas klein vor, oder?
Was soll schon passieren?
Es kann und wird zu Interessenskonflikten kommen:
- SAP kündigt bei der nächsten Hauptversammlung an die Vorstandsgehälter um 100% zu erhöhen und dafür die Dividende zu streichen. Knappes Ding aber Blackrock stimmt zu.
- Inoffiziell darf Blackrock dafür die neue Tochterfirma an die Börse bringen oder die neue Anleihe vermarkten.
- Das ist gut für Blackrock, schadet aber dem SAP-Aktienbesitzer und damit auch dem ETF-Besitzer.
oder vielleicht gar nicht soweit hergeholt:
- Blackrock setzt sich bei SAP für mehr Stellen in Deutschland ein, sichert dem Vorstand Unterstützung bei der nächsten HV zu
- Gleichzeitig setzt Deutschland sich für eine Schwächung der EU-Transaktionssteuer ein
Was ist das Problem bei Schließungen ?
Jedes Jahr schließen unzählige Fonds und ETF.
Stellt euch folgendes vor:
- Ihr steckt 1000€ langfristig in den neuen replizierenden DAX-ETF von Comstage
- 1 Monat später entscheidet Comstage: Wir lassen das mit dem replizieren, das bringt uns zu wenig neue Kunden
- Ihr erhaltet das Guthaben ausgezahlt. Es sind jetzt nurnoch 950€, da es zwischenzeitlich nach unten ging
- Ihr schwört euch, dass euch das nie wieder passiert und landet wieder bei: Blackrock.
Besser wäre:
- Fonds schließt
- Aktien(-anteile) werden euch ins Depot gebucht
- alles andere wird Cash überwiesen
Ich habe nichts gegen Blackrock und schon gar nichts gegen ETF
Blackrock hat zusammen mit Vanguard den ETF salonfähig gemacht. Das ist super. Und Geld dürfen Sie selbstverständlich auch verdienen. Den allgemeinen Korruptions- und Firmenfilz wird man auch nie 100% beseitigen können.
Leider führt die zunehmende Konzentration auf wenige ETF-Anbieter dazu, dass auch immer mehr Macht in den Händen weniger Anbieter zusammenläuft. Einzig damit habe ich ein Problem. Das führt zu Klumpenbildung und zusätzlichen Risiken im System.
Und wenn man sich nicht einem der “Großen” anschließen möchte ist man immer von einer möglichen Fondsschließung bedroht. So macht langfristige Anlage keinen Spaß.
Was tun?
Folgendes muss aus meiner Sicht über die Regulierungsbehörden passieren:
- Jeder Anleger sollte die Möglichkeit bekommen die eventuellen Stimmrechte der auf seine Rechnung gekauften Aktien auch auszuüben.
- Dies sollte auch für Bruchstücke möglich sein.
- Diese Lösung sollte am besten direkt über die Depotbank und am Computer möglich sein.
- Bei ETF und Aktienfonds sollte es vor Schließung oder Zusammenlegung für den Anleger immer möglich sein die ihm tatsächlich zustehenden Aktien und Aktienanteile in sein Depot buchen zu lassen. Dies darf nur in Ausnahmefällen oder wenn der Anleger es sich wünscht tatsächlich in Cash erfolgen
Was würde das bringen ?
- Ihr würdet euer Mitbestimmungsrecht nicht beim ETF-Kauf abgeben.
- Als langfristiger Investor würde euch eine “ETF-Schließung” weniger treffen und die Konkurrenz unter den ETF-Anbietern hätte wieder eine Chance
- Wahrscheinlich würden sich mehr Leute für replizierende ETF entscheiden, was prinzipiell eine gute Idee ist
- Generell würden klarere Regeln für ETF-Anbieter und mehr Rechte für ETF-Besitzer wahrscheinlich den Markt nochmal ankurbeln
Warum nicht gleich Aktien kaufen ?
Dazu nur ein Wort: Diversifikation.
Den DAX kann man sich vielleicht noch ins Depot legen.
Versucht das mal mit dem S&P 500 oder dem MSCI World bei einer Sparrate von 100€. Da braucht ihr ja schon ein Jahr für eine Amazon Aktie.
Lieg ich daneben ? Seht ihr weitere Probleme ? Was sollte sich bei ETF noch verbessern ?